Klimaschutz und dessen Auswirkungen
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Klimaschutz und dessen Auswirkungen
Der weltweite Kampf gegen den Klimawandel hat in den letzten Jahren eine beispiellose Dynamik angenommen. Klimaschutz ist längst nicht mehr nur ein politisches oder moralisches Anliegen, sondern immer stärker auch ein handfestes juristisches und ökonomisches Thema. International und national entstehen neue verbindliche Vorgaben, die eine tiefgreifende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft erzwingen. Für Deutschland als Industrienation und seine Unternehmen bedeutet dies einen umfassenden Anpassungsdruck, aber auch Chancen. Insbesondere der Bereich Facility Management – verantwortlich für den Betrieb und die Bewirtschaftung von Gebäuden – rückt dabei in den Fokus, da Gebäude einen erheblichen Anteil an den CO₂-Emissionen haben und Gesetzgeber hier mit neuen Regeln ansetzen.
Ein dramatischer Wendepunkt ist im Juli 2025 erreicht worden: Erstmals hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in einem Gutachten klargestellt, dass Klimaschutz völkerrechtlich zur Pflicht aller Staaten geworden ist. Dieses Gutachten, das auf Antrag der UN-Vollversammlung entstand, wird von vielen als historische juristische Zäsur bezeichnet. Es unterstreicht, dass das Einhalten der global vereinbarten Temperaturgrenze von 1,5 °C kein bloßes politisches Ziel mehr ist, sondern als rechtlich verbindliche Messlatte für staatliches Handeln dient. Staaten – und mittelbar auch Unternehmen – können demnach für unzureichenden Klimaschutz zur Verantwortung gezogen werden. Dieses IGH-Gutachten wirkt wie ein Weckruf: an Regierungen, die Gesetzgebung anzupassen, an Gerichte, neue Klimaklagen ernst zu nehmen, und an Unternehmen, ihre Strategien auf Nachhaltigkeit auszurichten.
Das IGH-Gutachten von Juli 2025: Klimaschutz als völkerrechtliche Pflicht- Hintergrund des Gutachtens und rechtshistorische Einordnung
Am 23. Juli 2025 verkündete der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein mit Spannung erwartetes Rechtsgutachten zum Klimaschutz. Vorausgegangen war eine Initiative des pazifischen Inselstaats Vanuatu, der – zusammen mit einer Allianz weiterer besonders vom Klimawandel betroffener Staaten – im März 2023 die UN-Vollversammlung erfolgreich dazu bewegt hatte, den IGH um eine Advisory Opinion zu ersuchen. Die zentrale Frage lautete, inwieweit Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, Klimaschutz zu betreiben, und ob sie für klimawandelbedingte Schäden zur Verantwortung gezogen werden können.
Dieses Verfahren stellt ein Novum dar: Zwar gab es in der Vergangenheit bereits IGH-Gutachten zu Umweltfragen, doch noch nie wurde das Klimaschutzgebot derart deutlich in rechtliche Verantwortlichkeiten übersetzt. Die Entscheidung fiel einstimmig und nach Anhörung von mehr als 100 Staaten und Organisationen. Sie markiert einen Meilenstein im sich herausbildenden Klima-Völkerrecht. Viele Beobachter vergleichen die Bedeutung des Gutachtens mit der des Pariser Klimaabkommens von 2015 – während jenes ein politischer Meilenstein der Klimadiplomatie war, liefert das IGH-Gutachten 2025 nun das juristische Fundament für eine neue Ära verbindlichen Klimaschutzes. Es ist daher tatsächlich eine rechtshistorische Zäsur, die international große Beachtung findet.
Kernaussagen: Klimaschutz als Gewohnheitsrecht und Staatenpflicht
Das IGH-Gutachten kommt zu dem klaren Ergebnis, dass Klimaschutz keine bloße politische Kür mehr ist, sondern völkerrechtliche Pflicht. Der Gerichtshof stellt fest: „Klimaschutz ist keine Wahl, sondern gewohnheitsrechtliche Verpflichtung.“ Damit wird erstmals anerkannt, dass sich aus dem allgemeinen Völkerrecht – namentlich dem Völkergewohnheitsrecht – bindende Pflichten zur Bekämpfung des Klimawandels ergeben. Insbesondere hebt das Gericht auf die bereits etablierte No-Harm-Rule ab, also die Pflicht von Staaten, keine grenzüberschreitenden Umweltschäden zu verursachen. Diese gilt nach Auffassung des IGH auch für den Klimawandel, selbst wenn Klimaschäden kumulativ durch viele Verursacher über lange Zeiträume entstehen. Mit anderen Worten: jeder Staat hat die Verantwortung, seinen Beitrag zu leisten, damit seine Emissionen anderen nicht schaden – ein Ausruhen auf der Argumentation, die eigenen Emissionen seien nur ein kleiner Teil des weltweiten Problems, lässt der IGH nicht gelten.
Von besonderer Tragweite ist, dass der IGH das im Pariser Übereinkommen verankerte 1,5-Grad-Ziel als rechtlich verbindliche Grenze anerkennt. Er betont, die Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 1,5 °C sei völkerrechtlich verpflichtend und müsse Richtschnur aller nationalen Klimaschutzmaßnahmen sein. In diesem Zusammenhang differenziert das Gutachten klar zwischen rechtlich verbindlichen Pflichten und bloßen freiwilligen Zusagen in den Klimaabkommen. So bestätigt der IGH, dass Kernbestandteile des Übereinkommens von Paris – etwa die Verpflichtung, regelmäßig nationale Klimaschutzziele (NDCs) vorzulegen und zu erfüllen – als verbindliche Staatenpflichten zu verstehen sind. Die früher verbreitete Auffassung einiger Staaten, diese nationalen Beiträge seien rein freiwillig und ihrem Ermessen überlassen, wird explizit zurückgewiesen.
Ein wichtiger Aspekt ist zudem, dass nach dem Gutachten auch Staaten, die nicht Vertragspartei der speziellen Klimaabkommen sind, grundlegenden Klimaschutzpflichten unterliegen. Klimaschutz wird somit als allgemeine Pflicht des Völkerrechts verankert. Ein Austritt aus dem Pariser Abkommen – wie ihn etwa die USA 2020 zeitweise betrieben – entbindet nicht von der Verantwortung zum Emissionsschutz. Das allgemeine Umweltvölkerrecht wirkt hier neben dem spezifischen Vertragsrecht und wird durch Letzteres nicht verdrängt. Diese Koexistenz widerlegt den bisher von einigen vertretenen lex-specialis-Ansatz, wonach das Pariser Abkommen als Sonderrecht allgemeine Pflichten ausschließe. Vielmehr gelten beide Ebenen nebeneinander und ergänzen sich.
Es übersetzt der IGH damit einen vormals politisch formulierten Klimaschutzauftrag in konkrete Rechtsverpflichtungen aller Staaten. Das ist ein Paradigmenwechsel, der die Messlatte für nationales Handeln erheblich anhebt: Die bisherigen Klimaverträge (UN-Klimarahmenkonvention, Kyoto-Protokoll, Pariser Übereinkommen) werden als rechtlich bindend bestätigt – und darüber hinaus werden aus Menschenrechtsverträgen und Gewohnheitsrecht weitergehende Pflichten abgeleitet.
Verantwortung, Haftung und Klimagerechtigkeit
Über die Präventionspflicht hinaus öffnet das Gutachten auch die Tür für eine Haftung bei Klimaschäden. Der IGH führt aus, dass Staaten völkerrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie ihre Klimaschutz-Verpflichtungen verletzen. Insbesondere hält das Gericht ausdrücklich fest, dass ein staatliches Unterlassen ausreichender Klimaschutzmaßnahmen eine völkerrechtswidrige Handlung darstellen kann. In diesem Zusammenhang weist der IGH auf ein heiß diskutiertes Thema hin: „Loss and Damage“, also die durch den Klimawandel verursachten Verluste und Schäden. Das Gutachten deutet an, dass Staaten, die untätig bleiben, künftig Schadensersatz leisten könnten. Zwar nennt der Gerichtshof keine Summen oder Automatismen, doch die grundsätzliche Möglichkeit von Wiedergutmachungsansprüchen wird bestätigt. Dies ist ein Signal insbesondere an Industriestaaten mit hohen historischen Emissionen: Ihre besondere Verantwortung könnte Entschädigungsforderungen auslösen, etwa von kleinen Inselstaaten, deren Existenz durch den Meeresspiegelanstieg bedroht ist.
Das Gutachten verknüpft damit Klimaschutz und Klimagerechtigkeit. Es betont, dass Länder mit hohen bisherigen Emissionen – wie Deutschland – in besonderer Weise gefordert sind. Außerdem rückt der IGH die Rechte zukünftiger Generationen ins Blickfeld: Er erklärt den Anspruch auf eine saubere, gesunde Umwelt als mit den Menschenrechten untrennbar verbunden. Klimaschutz wird also auch zum Schutz der Menschenrechte kommender Generationen erklärt.
Allerdings blieb der IGH in manchen Fragen vorsichtig. Unklar lässt das Gutachten zum Beispiel die genaue Berücksichtigung historischer Emissionen bei der rechtlichen Verantwortlichkeit. Ebenfalls offen bleibt, wie weit extraterritoriale Pflichten gehen – etwa ob Staaten auch beim Export fossiler Brennstoffe oder im Rahmen ihrer Auslandsgeschäfte Klimaschutz beachten müssen. Diese Lücken wurden von Beobachtern kritisch angemerkt, da gerade im Sinne globaler Klimagerechtigkeit hier Klarheit wünschenswert gewesen wäre. Trotzdem steht fest: Der IGH hat das völkerrechtliche Fundament deutlich in Richtung umfassender Klimaschutzpflichten verschoben.
Ein bemerkenswerter Punkt ist die Aussage des Gutachtens, dass bestimmte staatliche Handlungen im Fossilbereich völkerrechtswidrig sein können. So nennt es explizit die Erteilung von Lizenzen zur Exploration neuer fossiler Energien und die Gewährung von Subventionen für fossile Brennstoffe als Beispiele für Maßnahmen, die gegen völkerrechtliche Klimapflichten verstoßen könnten. Dies ist brisant, da hier direkt in souveräne Entscheidungen der Energiepolitik hineinreguliert wird – ein starkes Indiz, wie ernst der IGH die Dekarbonisierung nimmt.
Reaktionen und Bedeutung für die internationale Rechtsordnung
Obwohl das IGH-Gutachten formal nur eine beratende Stellungnahme ist (Advisory Opinion) und keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung hat, wird sein Einfluss enorm sein. Völkerrechtlich hat es Gewicht, weil es bestehende Prinzipien autoritativ interpretiert und fortentwickelt. Politisch wirkt es wie ein Katalysator: Viele Juristen und Klimaaktivisten feierten das Gutachten als historischen Durchbruch. Insbesondere Vertreter der besonders verwundbaren kleinen Inselstaaten (Small Island Developing States) begrüßten das Ergebnis – es ist ja gewissermaßen ihr Erfolg. Auch die Europäische Union und Länder wie Deutschland und China äußerten Zustimmung. Dagegen reagierten einige große Emittenten wie die USA, Australien oder Großbritannien zurückhaltend und erklärten lediglich, man werde die Folgen intern prüfen. Diese anfängliche Zurückhaltung mancher Staaten konnte die Euphorie unter Umweltverbänden nicht schmälern: Schließlich hat der höchste Gerichtshof der UN unmissverständlich festgehalten, dass Klimaschutz Teil des geltenden Völkerrechts ist.
Für laufende und künftige Klimaschutz-Verhandlungen bedeutet das Gutachten einen kräftigen Rückenwind. Es liefert Regierungen ein starkes Mandat, ambitionierte Maßnahmen zu ergreifen: Wer zögert, dem kann nun vorgehalten werden, er verletze womöglich Völkerrecht. So dürfte das Gutachten etwa bei der nächsten UN-Klimakonferenz (COP) als Argumentationsgrundlage dienen. Beobachter erwarten, dass insbesondere Diskussionen um die Finanzierung von Klimaschäden und -anpassung (Stichwort Klimafinanzierung) neuen Schwung erhalten. Auf der COP 29 in Baku (Ende 2024) waren Zahlungen der Industrieländer an klimageschädigte Staaten noch umstritten – das IGH-Gutachten könnte hier den Druck erhöhen, endlich einen funktionierenden Loss-and-Damage-Fonds auszustatten.
Ein zentrales Feld, auf das sich das Gutachten ebenfalls auswirkt, ist die Klimaschutz-Litigation – dazu ausführlich Kapitel 4. Schon jetzt beziehen sich viele nationale und internationale Klimaklagen auf Prinzipien des Völkerrechts, um Staaten oder Unternehmen zu mehr Klimaschutz zu zwingen. Das IGH-Gutachten liefert solchen Verfahren eine neue argumentative Grundlage. Zwar ist es kein Gerichtsurteil in einem konkreten Fall, doch Gerichte weltweit werden die Feststellungen berücksichtigen, wenn sie über Klimafragen entscheiden. Die normative Strahlkraft dieses „Meilensteins des internationalen Rechts“ liegt darin, dass er die Rechtssicherheit erhöht: Es wird schwieriger für Beklagte – seien es Regierungen oder Konzerne – zu behaupten, Klimaschutz sei rein politisch beliebig. Der IGH hat klargestellt: „Wer gegen effektiven Klimaschutz verstößt, verstößt gegen das Völkerrecht.“
Es lässt sich festhalten, dass das IGH-Gutachten von 2025 zweierlei verkörpert: Zum einen ein starkes rechtliches Signal, dass die Zeit unverbindlicher Klimaversprechen vorbei ist. Zum anderen einen moralischen Appell an alle Akteure – insbesondere auch an die kommende Generation von Entscheidungsträgern. Die Richter in Den Haag haben den Staaten ins Stammbuch geschrieben, dass Klimaschutz Pflicht ist. Diese Pflicht wird in den folgenden Kapiteln nun im Hinblick auf Deutschland konkretisiert, indem untersucht wird, wie sie in nationales Recht, Unternehmenspraxis und Gerichtsverfahren hineinwirkt.
Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung Deutschlands
Die völkerrechtliche Aufwertung des Klimaschutzes erhöht in Deutschland den Druck, auch innerstaatlich ambitionierte und rechtssichere Klimaregeln zu schaffen. Schon vor dem IGH-Gutachten war die deutsche Gesetzeslage im Wandel: Nach dem bahnbrechenden Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von April 2021 (der das Klimaschutzgesetz als unzureichend rügte) wurden Ziele verschärft und neue Maßnahmen ergriffen. Doch gleichzeitig zeigt die politische Realität der Jahre 2023/2024 auch Rückschläge und kontroverse Debatten über den richtigen Weg. Im Folgenden wird analysiert, wie das IGH-Gutachten als juristische Zäsur in diesem Kontext wirkt und welche Anpassungen in der Gesetzgebung – insbesondere im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) und im Gebäudeenergiegesetz (GEG) – bereits stattgefunden haben oder zu erwarten sind. Zudem wird auf neue Gesetzesinitiativen etwa im Bereich Klimaanpassung eingegangen.
Mehr Druck durch internationales Recht: Klimaschutz als verfassungsrechtliche und gesetzgeberische Aufgabe
Nach Auffassung des IGH obliegt es den Staaten, ihre internationalen Klimapflichten auch intern umzusetzen. Für Deutschland bedeutet dies, dass der Gesetzgeber verstärkt unter Beobachtung steht. Schon das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte 2021 klargestellt, dass effektiver Klimaschutz eine Frage der intertemporalen Freiheitssicherung ist – sprich, heutige Politik darf nicht zulasten der Freiheitsrechte künftiger Generationen gehen. Damals mahnte Karlsruhe, die Reduktionslasten bis 2030 dürften nicht unverhältnismäßig in die Zeit nach 2030 verschoben werden. Dieser verfassungsrechtliche Rahmen wird nun durch das völkerrechtliche IGH-Gutachten bestärkt: Ein Verwässern der Klimaziele verstößt nicht nur gegen das Gebot der Generationengerechtigkeit, sondern nach IGH-Lesart auch gegen internationale Verpflichtungen. Die Botschaft lautet: Deutschland muss „mehr und nicht weniger Klimaschutz“ betreiben, eine Rückschraubung ambitionierter Ziele ist unzulässig. Tatsächlich geriet die Bundesregierung 2023/2024 in die Kritik, weil eine Novelle des Klimaschutzgesetzes von Umweltexperten als Rückschritt empfunden wurde. Im November 2023 warnten Sachverständige im Parlament, die geplanten Änderungen seien „verfassungsrechtlich ausgesprochen problematisch“. Unter anderem Dr. Roda Verheyen – selbst Klägervertreterin im BVerfG-Verfahren – monierte, die Novelle verschiebe Reduktionslasten auf die Zukunft und verstoße damit gegen das Karlsruher Urteil. Auch NGOs wie die Deutsche Umwelthilfe sprachen von drohender „Verantwortungsdiffusion“, falls man Sektorziel-Verantwortlichkeiten aufweicht. Diese heftige Kritik zeigt: Der Gesetzgeber bewegt sich in einem engen Korridor zwischen verfassungsgerichtlichen Vorgaben und – neuerdings – völkerrechtlichen Ansprüchen. Nationales und internationales Recht greifen hier ineinander, beide verlangen stringente Klimapolitik.
Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) im Wandel
Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) bildet den Kern der deutschen Klimaschutzgesetzgebung. Erstmals 2019 erlassen, normiert es Klimaziele – insbesondere die Minderung der Treibhausgas-Emissionen um 65 % bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 – und schrieb bisher jährliche Emissionsbudgets für einzelne Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfall) fest. Nach dem BVerfG-Urteil 2021 wurde das KSG rasch nachgeschärft: Das 2030-Ziel wurde von 55 % auf 65 % Emissionsminderung angehoben und zusätzlich Zwischenziele bis 2040 eingeführt (88 % Reduktion bis 2040). Diese ambitionierteren Ziele sollten den Freiheitsrechten künftiger Generationen Rechnung tragen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über wichtige Etappen der KSG-Entwicklung.
Jahr | Entwicklungsschritt im Klimaschutzgesetz (KSG) | Quelle |
---|---|---|
2019 | Erlass des ersten KSG mit Sektorenzielen bis 2030 (55 % Reduktion gegenüber 1990, Klimaneutralität 2050). | KSG 2019 (BGBl. I S. 2513) |
2021 | BVerfG-Beschluss: aktuelles KSG unzureichend für Generationengerechtigkeit. Bundesregierung hebt Ziele an: 65 % Reduktion bis 2030, Klimaneutralität vorgezogen auf 2045. | BVerfG 24.03.2021; Kabinettsbeschluss Mai 2021 |
2024 | Novelle („zweite Änderung“) des KSG: Einführung sektorübergreifender mehrjähriger Gesamtrechnung anstelle strikter jährlicher Sektorziele; Stärkung Expertenrat. Klimaziele bleiben nominell unverändert (65 % bis 2030, 2045 klimaneutral). Inkrafttreten am 17. Juli 2024. | Bundestag-Beschluss 26.4.2024 |
Die kontroverse KSG-Novelle 2024 zielte darauf ab, mehr Flexibilität bei der Zielerreichung zu ermöglichen. Anstatt jeden Sektor jährlich einzeln zur Einhaltung seines CO₂-Budgets zu zwingen, soll nun eine sektor- und jahresübergreifende Gesamtrechnung betrachtet werden. Künftig wird geprüft, ob Deutschland insgesamt auf Kurs ist, die Klimaziele zu erreichen, ohne strikt jeden Ausreißer sofort zu sanktionieren. Die Regierung argumentierte, wichtig sei, dass bis 2030 gesamt nicht mehr CO₂ ausgestoßen werde als im alten Gesetz vorgesehen – wo eingespart wird, sei zweitrangig. Diese Reform wurde insbesondere vom FDP-Flügel der Ampel-Koalition als Abkehr von „Planwirtschaft“ begrüßt. Kritiker hingegen – wie die Opposition und Umweltverbände – warfen der Koalition vor, sie nehme dem Gesetz das „Herzstück“ der Verbindlichkeit und verwandele es in einen Papiertiger. Der Begriff „Lex Wissing“ machte die Runde, in Anspielung darauf, dass insbesondere der Verkehrsminister (Volker Wissing, FDP) von der Aufweichung profitiere, da der Verkehrssektor seine Ziele regelmäßig verfehlte.
Die IGH-Feststellungen von 2025 verleihen den Kritikern zusätzliche Munition: Wenn das Völkerrecht die 1,5-Grad-Grenze als Messlatte staatlichen Handelns setzt, dann sind nationale Gesetze, die Schlupflöcher für Zielverfehlungen bieten, problematisch. Das Science Media Center Germany fasste Expertenstimmen so zusammen: Eine Verwässerung der Klimaziele sei unzulässig, Deutschland brauche eher mehr Klimaschutz, nicht weniger. Im Gutachten heißt es sogar, Staaten müssten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren – was impliziert, dass ein Nachlassen der Anstrengungen rechtlich nicht vertretbar ist. Die Verbindlichkeit der im Paris-Abkommen und KSG verankerten Ziele wird also unterstrichen. Es ist daher zu erwarten, dass das überarbeitete KSG erneut auf den Prüfstand kommen könnte: Sollte Deutschland die Gesamtziele verfehlen oder bewusst aufschieben, wären neue Verfassungsklagen denkbar, die sich dann auch auf das IGH-Gutachten stützen könnten, um dem Gesetzgeber Pflichten nachzuweisen. Bereits bei Verabschiedung der Novelle 2024 gab es den Versuch (durch einen Abgeordneten der Opposition), via Eilantrag vor dem BVerfG die Abstimmung zu stoppen – dieser scheiterte zwar aus formalen Gründen, aber in der Hauptsache ist eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit weiterhin möglich.
Positiv festzuhalten ist: Die KSG-Novelle 2024 hat trotz aller Flexibilisierung die Klimaziele an sich nicht reduziert. Noch immer gilt verbindlich: 65 % Emissionsminderung bis 2030 (gegenüber 1990) und Netto-Treibhausgasneutralität 2045 sind gesetzlich fixiert. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen. Hier zeigt sich ein erstes Fazit: Dank zahlreicher Maßnahmen – etwa Ausbau erneuerbarer Energien, CO₂-Preise, Förderprogramme – ist die Lücke Richtung 2030 etwas geschrumpft. Laut Umweltbundesamt-Projektionsbericht 2024 werden bei weiterem Reformtempo rund 64 % Minderung bis 2030 prognostiziert. Bundeswirtschaftsminister Habeck erklärte im April 2024 optimistisch: „Zum ersten Mal überhaupt zeigen die Zahlen: Deutschland ist auf Kurs“. Allerdings ist diese Aussage mit Vorsicht zu genießen, da sie auf Annahmen künftiger Maßnahmen beruht. Die Sektoren Verkehr und Gebäude hinkten in den vergangenen Jahren ihren Sollwerten hinterher, wie Abbildung 1 verdeutlicht. Die IGH-Entwicklung erhöht nun den Rechtsdruck, eventuelle Lücken nicht bestehen zu lassen – national muss nachgesteuert werden, um völker- und verfassungsrechtliche Verstöße zu vermeiden.
Während die Energiewirtschaft (Stromsektor) bereits mehr als die Hälfte (-51 %) ihrer 2020er-Emissionen bis 2030 einsparen muss, stehen der Gebäudesektor (-44 %) und der Verkehrssektor (-42 %) vor ähnlichen drastischen Reduktionserfordernissen. In der Praxis hatten gerade Gebäude und Verkehr ihre jährlichen Zwischenziele wiederholt verfehlt, was bis 2023 zu Sofortprogrammen führte. Mit der Reform 2024 werden diese Pflichtprogramme zwar entschärft, doch kann das IGH-Gutachten dahin gehend gelesen werden, dass ein bewusster Verzicht auf strikte Nachsteuerung völkerrechtswidrig sein könnte, wenn hierdurch das 1,5-Grad-Ziel gefährdet wird. Der deutsche Gesetzgeber muss also einen Balanceakt vollführen: Er will flexibel und ökonomisch effizient vorgehen, darf aber letztlich keine Tonne CO₂ mehr emittieren lassen, als mit dem alten starren Ansatz möglich gewesen wäre. Sollte Deutschland dennoch seine Pfade verfehlen, droht nicht nur internal politischer Druck, sondern potenziell auch internationales Anprangern oder Haftungsforderungen – Letzteres zwar eher theoretisch, aber das IGH-Gutachten hat den Grundsatz formuliert. Somit wird das KSG künftig noch stärker politisch wie rechtlich beobachtet werden.
Neue Vorgaben im Gebäudesektor: Gebäudeenergiegesetz (GEG) und EU-Richtlinien
Der Gebäudesektor verdient besondere Beachtung, da er rund ein Drittel der deutschen Emissionen verursacht und für Facility Management unmittelbar relevant ist. Hier greifen nationale und europäische Regelungen ineinander, um die energetische Sanierung des Gebäudebestands und den Abschied von fossilen Heizungen voranzutreiben.
Zentral ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das seit 2020 die energetischen Standards für Gebäude vereinheitlicht. Das GEG wurde zuletzt zum 1. Januar 2024 novelliert, mit dem Ziel, den Heizungsbereich konsequent zu dekarbonisieren. Kern der Novelle ist die Vorgabe, dass neu eingebaute Heizungen mindestens 65 % erneuerbare Energien bei der Wärmeerzeugung nutzen müssen. Allerdings gilt dies zunächst nur für Neubauten in neuen Baugebieten (ab 2024). Für den Bestand sind Übergangsfristen vorgesehen: Bestehende Gebäude werden von der 65 %-Regel erst erfasst, sobald die jeweilige Kommune eine kommunale Wärmeplanung vorgelegt hat. Diese gestufte Einführung – frühestens ab 2026/2027 in ersten Kommunen, in der Fläche zumeist gegen Ende des Jahrzehnts – wurde als politischer Kompromiss gewählt, um den Bürgern Zeit zur Anpassung zu geben und regionale Lösungen (Fernwärme etc.) einzubinden. Ab etwa 2028 dürfte die Nutzung reiner Gas- oder Ölheizungen dann bundesweit nicht mehr genehmigungsfähig sein. Spätestens ab 2045 soll der Einsatz fossiler Heizungen komplett enden (konkret wird im GEG 2024 für ab 2045 den Betrieb von Kohle- und Ölheizungen untersagt, Gas folgt perspektivisch).
Die GEG-Novelle war im Jahr 2023 politisch hoch umstritten („Heizungsgesetz-Debatte“). Gleichwohl stellt sie aus juristischer Sicht ein wichtiges Instrument dar, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Das IGH-Gutachten könnte hier als Bestätigung gelesen werden, dass solche Maßnahmen nicht nur politisch wünschenswert, sondern pflichtgemäß sind: Der Staat reguliert den Privatsektor (Eigentümer, Wohnungswirtschaft) im Sinne der Emissionsminderung – und genau das hat der IGH ausdrücklich eingefordert. So betont das Gutachten, die Verpflichtung der Staaten umfasse auch die Regulierung des Privatsektors, z.B. durch Einschränkung fossiler Infrastruktur. Insofern sind strengere Gebäudestandards und -auflagen völkerrechtlich gut zu legitimieren. Sollte es – hypothetisch – zu juristischen Auseinandersetzungen über Eigentumsbeschränkungen durch das GEG kommen, ließe sich argumentieren, dass diese Beschränkungen im überwiegenden öffentlichen (und internationalen) Interesse liegen, nämlich dem Klimaschutz.
Neben dem nationalen GEG treiben auch EU-Vorgaben die Entwicklung voran. Die Europäische Union plant eine Verschärfung der Gebäuderichtlinie (EPBD), die Mindest-Energieeffizienzstandards für Bestandsgebäude einführen will. Im Raum steht, dass Gebäude mit sehr schlechter Energiebilanz (Energieeffizienzklasse G oder F) bis zu bestimmten Fristen (etwa 2030 bzw. 2033) renoviert werden müssen, um überhaupt noch vermietet oder genutzt werden zu dürfen. Diese europäischen Vorgaben sind noch im Gesetzgebungsprozess (Stand August 2025), aber sie zeichnen eine klare Richtung: Der Großteil des Gebäudeparks in Europa soll in den kommenden zwei Jahrzehnten schrittweise klimatauglich gemacht werden. Für Deutschland bedeutet das weitere Anpassungen des GEG in naher Zukunft, um die EU-Anforderungen umzusetzen. Ebenfalls auf EU-Ebene bedeutsam ist die F-Gase-Verordnung, welche die schrittweise Reduktion klimaschädlicher Kältemittel (in Klimaanlagen, Kühlgeräten) vorgibt. Für Facility Manager bedeutet das z.B., dass ältere Kälte- und Klimaanlagen umgerüstet oder ersetzt werden müssen, um die neuen Auflagen zu erfüllen (z.B. Verbot bestimmter Kältemittel bis 2030). Ein Fachmagazin für Facility Management weist darauf hin, dass Betreiber von Kälte- und Klimaanlagen eine Reihe neuer Pflichten ab 2025 beachten müssen – von Dichtheitsprüfungen bis zur Verwendung zulässiger Kältemittel.
Zusätzlich zum Klimaschutz selbst rückt auch die Klimaanpassung gesetzlich auf die Agenda. Im Jahr 2023 verabschiedete Deutschland das erste bundesweite Klimaanpassungsgesetz (KAnG), in Kraft seit Juli 2024. Dieses Gesetz setzt einen Rahmen, wie Bund, Länder und Kommunen sich auf unvermeidbare Klimafolgen vorbereiten (z.B. Hitzeaktionspläne, Hochwasserschutz). Für Unternehmen könnten daraus in Zukunft indirekt Pflichten entstehen (z.B. bauliche Vorsorge gegen Extremwetter in bestimmten Branchenauflagen). Im Facility Management wird Klimaanpassung ebenfalls Thema – etwa in Form von Pflicht, für ausreichende Sommerhitze-Ventilation oder Überschwemmungsschutz zu sorgen. Bisher sind das allerdings mehr Soft-Law-Vorgaben, während der Klimaschutz (Emissionsminderung) harte Zielwerte hat.
Die nationale Gesetzgebung hat auf den Klimaschutzdruck mit ambitionierten Zielen und einer Vielzahl von Regelungen reagiert. Das IGH-Gutachten verstärkt diesen Druck nochmals, indem es dem Gesetzgeber signalisiert, dass halbherzige Regelungen rechtlich angreifbar sein könnten. Deutschland hat im europäischen Vergleich durchaus strenge Klimavorgaben, muss aber in der Umsetzung noch an Tempo zulegen. Das Klimaschutzgesetz bietet nun mehr Flexibilität, doch diese darf nicht dazu führen, dass Ziele verfehlt werden – sonst drohen juristische Folgen. Die Novellen im Gebäudebereich (GEG) zeigen, wie konkrete Maßnahmen aussehen können, um Klimaschutzpflichten praktisch umzusetzen. Im nächsten Kapitel wird betrachtet, wie Gerichte und Kläger dieses Geflecht nutzen, um staatliches oder unternehmerisches Handeln einzufordern – denn Klimaschutz wird vermehrt einklagbar.
Klimaklagen und Unternehmenshaftung
Parallel zur Gesetzgebung hat sich die gerichtliche Ebene als Schlachtfeld des Klimaschutzes etabliert. Immer mehr Bürger*innen, NGOs und sogar Unternehmen greifen zum Mittel der Klimaklage, um Regierungen zu ambitionierterem Handeln oder Konzerne zu Emissionsminderungen zu zwingen. Dieser Trend hat national wie international an Fahrt aufgenommen: Seit 2020 hat sich die Zahl der anhängigen Klimaklagen weltweit vervierfacht, auf rund 2.500 Verfahren Ende 2023. Damit hat sich ein neues Feld – teils spricht man von Climate Change Litigation – etabliert, das Umweltrecht, Menschenrechte und Zivilrecht innovativ verbindet. Dieses Kapitel beleuchtet, welche Arten von Klimaklagen es gibt, wie sie juristisch begründet werden (auch mit Bezug auf das IGH-Gutachten) und welche Konsequenzen dies für die Haftung von Unternehmen haben kann.
Zunahme der Klimaklagen: Globale und nationale Entwicklungen
Der Anstieg der Klimaklagen ist beeindruckend. Ein Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zeigte, dass bis Ende 2022 weltweit schon rund 2200 Klimaklagen gezählt wurden – Tendenz rasant steigend. Bis Ende 2023 waren es laut Forschung der Columbia University über 2500 Fälle. Dabei richten sich etwa zwei Drittel dieser Klagen gegen Staaten bzw. staatliche Organe und ein Drittel direkt gegen Unternehmen oder Finanzakteure.
In Deutschland fiel 2018 mit der sogenannten „Klimaklage der Familie Neubauer“ der Startschuss: Mehrere junge Leute (darunter Luisa Neubauer) und Umweltverbände verklagten die Bundesregierung vor dem BVerfG, weil das damalige Klimaschutzgesetz ihre Freiheitsrechte verletze. Das BVerfG gab ihnen 2021 in zentralen Punkten Recht – ein weltweit aufsehenerregendes Urteil, das hohe Wellen schlug. Seitdem sind weitere Verfahren anhängig, z.B. vor Verwaltungsgerichten gegen konkrete Industrieprojekte oder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Prominent sind etwa die „Klimaseniorinnen“ aus der Schweiz, eine Gruppe älterer Damen, die ihr Recht auf Leben und Gesundheit durch unzureichenden Klimaschutz verletzt sehen (Verfahren vor dem EGMR anhängig). Ebenso haben sechs portugiesische Jugendliche 2020 Beschwerde gegen 32 Staaten beim EGMR eingereicht, da deren zu lasche Klimapolitik ihre Zukunft gefährde. Diese Fälle zeigen: Klimaklagen stützen sich oft auf Grund- und Menschenrechte (Recht auf Leben, Gesundheit, Eigentum, Familienleben etc.), um Klimaschutz einzuklagen.
International machte 2015 der Fall Urgenda vs. Niederlande Schlagzeilen: Eine NGO erreichte vor dem Zivilgericht in Den Haag, dass der niederländische Staat zu höheren Emissionsreduktionen verurteilt wurde (mindestens -25 % bis 2020 gegenüber 1990). Dieses Urteil – 2019 vom Höchstgericht bestätigt – war das erste, das einem Staat konkrete Klimaschutzziele vorschrieb, gestützt auf die staatliche Schutzpflicht für Bürger (Menschenrechte) und die duty of care. Ähnliche Klagen gegen Regierungen folgten etwa in Frankreich (Fall Affaire du Siècle, der zu einer Verurteilung Frankreichs wegen Klimapolitikversäumnissen führte) oder in Großbritannien.
Das IGH-Gutachten 2025 greift in dieses Feld insofern ein, als es die Rechtsgrundlagen für staatliche Klimaklagen untermauert. Kläger konnten bisher argumentieren, aus dem Paris-Abkommen ergebe sich eine Verpflichtung – Regierungen hielten dagegen, die Abkommen seien politisch und vor Gericht nicht justiziabel. Nun aber hat der IGH klargestellt, dass das Pariser Abkommen und Gewohnheitsrecht verbindliche Pflichten enthalten. Nationale Gerichte könnten dieses Gutachten heranziehen, um unklare Rechtsfragen zu beantworten (z.B.: „Muss das 1,5°C-Ziel eingehalten werden?“ – IGH: Ja, völkerrechtlich verpflichtend). Dies verschafft Klimaklagen neuen Aufwind. Experten erwarten eine deutliche Zunahme solcher Verfahren sowohl national als auch international.
Klimaklagen gegen Staaten: Von Neubauer bis zum EGMR
In Deutschland war der Erfolg der Beschwerdeführer vor dem BVerfG 2021 (Neubauer et al.) ein Meilenstein. Das Bundesverfassungsgericht formulierte eine Klimaschutzpflicht des Gesetzgebers aus Art. 20a GG (Staatsziel Umweltschutz) in Verbindung mit grundrechtlicher Generationengerechtigkeit. Dieses Urteil zwang den Gesetzgeber, das Klimaschutzgesetz zu verschärfen (siehe Kapitel 3.2). Interessant ist, dass das BVerfG explizit auf internationale Klimavereinbarungen Bezug nahm – das Paris-Abkommen und die deutschen Zielsetzungen daraus bildeten einen wichtigen Bezugspunkt. Durch das IGH-Gutachten könnte bei zukünftigen Klagen noch stärker argumentiert werden, Deutschland sei völkerrechtlich gebunden, ambitionierte Ziele nicht zu unterschreiten. Ein Indiz dafür: In der Entschließung des Bundestags zur KSG-Novelle 2024 wurde die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, welche Folgen ein bevorstehendes Urteil des EGMR zu Klimaschutzrechten für die deutsche Gesetzgebung hat. Man erwartet also auf europäischer Ebene Präzedenzfälle.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat inzwischen mehrere Klimaklagen auf dem Tisch. Die Entscheidungen dazu werden 2024/25 mit Spannung erwartet. Sollten die Straßburger Richter anerkennen, dass unzureichender Klimaschutz Menschenrechte verletzt, wäre das für Deutschland bindend. Die IGH-Argumentation – Klimaschutz als Menschenrechtspflicht – dürfte den EGMR beeinflussen. So hatte bereits 2023 der Menschenrechtsausschuss der UN (ein anderes Gremium) in einem Fall aus Australien entschieden, dass ein Staat die Rechte seiner Bürger verletzen kann, wenn er sie nicht vor den Folgen des Klimawandels schützt (hier ging es um Menschen auf pazifischen Inseln unter australischer Hoheit).
Insgesamt entsteht somit ein dichter werdendes Netz an justiziablen Klimaverpflichtungen für Staaten: national durch Verfassungsgerichte, regional durch Menschenrechtsgerichte und international moralisch durch das IGH-Gutachten. Deutsche Gerichte – etwa Verwaltungsgerichte, die über Verpflichtungsklagen gegen die Regierung entscheiden – könnten in Zukunft mutiger Klimaschutz einfordern, gestützt auf diese Entwicklung.
Klimaklagen gegen Unternehmen: Zivilrechtliche Pionierfälle und neue Haftungsrisiken
Neben Staaten geraten auch Unternehmen ins Visier der Klimajustiz. Hier geht es oft um große Emittenten der Privatwirtschaft. Ein international bekanntes Beispiel ist der Fall Milieudefensie (Friends of the Earth) vs. Royal Dutch Shell in den Niederlanden. 2021 verurteilte das Bezirksgericht Den Haag den Ölkonzern Shell, seine gesamten CO₂-Emissionen (inklusive Endverbrauch) bis 2030 um netto 45 % gegenüber 2019 zu reduzieren. Das Gericht leitete aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht und Menschenrechten eine unternehmerische Klimaverpflichtung ab. Dieses Urteil war bahnbrechend – jedoch wurde es in der Berufung im November 2024 wieder aufgehoben. Die Berufungsinstanz meinte, spezifische Emissionsreduktionsziele könnten einem Unternehmen nicht gerichtlich auferlegt werden, zumindest nicht auf Basis des damaligen niederländischen Rechts. Dieser Rückschlag zeigt die Unsicherheit: Inwiefern lassen sich Konzerne direkt haftbar machen für globale Schäden? Die endgültige Entscheidung (voraussichtlich vor dem niederländischen Höchstgericht) steht noch aus, aber der Trend ist gesetzt: Unternehmenshaftung für Klimarisiken ist juristisch nicht mehr undenkbar.
In Deutschland sorgte insbesondere der Fall Lliuya vs. RWE für Aufsehen. Der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya verklagte den Essener Energiekonzern RWE 2015 auf anteilige Übernahme von Kosten für Schutzmaßnahmen gegen Gletscherschmelze in den Anden. Er argumentierte, RWE habe ca. 0,5 % zur historischen Klimaerwärmung beigetragen, also solle der Konzern 0,5 % der Sicherungskosten (rund 17.000 €) zahlen. Nachdem das Landgericht Essen die Klage abwies, ließ das Oberlandesgericht Hamm überraschend 2017 die Beweisaufnahme zu – ein Novum: Ein Zivilgericht erklärte sich bereit zu prüfen, ob ein einzelnes Unternehmen teilweise für Klimaschäden haftet. Dieser Schritt erregte weltweit Beachtung. Allerdings – und das ist eine aktuelle Wendung – hat das OLG Hamm im Mai 2025 die Klage letztinstanzlich abgewiesen. Begründet wurde offenbar, dass Lliuya den strengen Kausalitätsnachweis nicht führen konnte: Es blieb zu unsicher, ob gerade RWE-Emissionen das Schmelzen seines Gletschers maßgeblich beeinflussten. Trotz der Niederlage war der Fall ein Präzedenzfall: Er bewies, dass Konzerne zumindest prinzipiell zur Verantwortung gezogen werden können für Folgen ihrer Emissionen. Allein die jahrelange Verhandlung hat die öffentliche Debatte geprägt und Unternehmen sensibilisiert. Lliuya “gab den Opfern des Klimawandels ein Gesicht” – ein wichtiger Aspekt, denn es zeigt: Klimaschäden sind nicht abstrakt, sie betreffen konkrete Menschen, die Gerichtssäle betreten.
Weitere Verfahren gegen Unternehmen laufen oder sind angekündigt: Etwa hat die Umweltorganisation DUH 2021 große Autobauer (BMW, Mercedes-Benz) in Deutschland verklagt, weil diese keine ausreichenden Pläne zur Abkehr vom Verbrennungsmotor vorlegen und so das Klimaziel gefährden. Diese Klagen wurden in erster Instanz zwar abgewiesen (Gerichte sahen primär den Gesetzgeber in der Pflicht), doch die Begründungen lassen Raum für zukünftige Klagen, wenn sich der Rechtsrahmen ändert. In anderen Ländern klagen Kommunen gegen Ölkonzerne (z.B. mehrere US-Städte vs. ExxonMobil und andere wegen Klimaschäden – dort vor allem unter dem Vorwurf der Täuschung und des öffentlichen Nuisance-Rechts).
Das IGH-Gutachten wirkt indirekt auch hier: Zwar adressiert es Staaten, aber indem es z.B. feststellt, dass staatliche Genehmigungen für fossile Projekte völkerrechtswidrig sein können, erhöht es den Erwartungsdruck, dass Unternehmen entsprechende Geschäftsmodelle zurückfahren. Zudem hat der IGH klargestellt, dass die kumulative Natur des Klimawandels kein Freibrief ist, um Kausalität pauschal zu verneinen. Dieses Argument greift genau die Verteidigungsstrategie vieler Unternehmen an: Bisher konnte ein einzelner Emittent immer sagen, sein Anteil sei zu gering, um schuldhaft zu sein. Der IGH sagt nun sinngemäß: Jeder Beitrag zählt, und nur weil viele beitragen, kann sich keiner der Verantwortung entziehen. Zwar gilt auch nach IGH, dass in jedem Einzelfall die konkrete Kausalität belegt sein muss – was sehr anspruchsvoll bleibt. Aber moralisch-juristisch hat der IGH die Täter-Haftung bei globalen Kumulativschäden legitimiert. Klägeranwälte weltweit dürften dieses Statement nutzen, um Gerichte von der Zulässigkeit ihrer Ansätze zu überzeugen.
Unternehmenspflichten: Von zivilrechtlicher Haftung zu Sorgfaltspflichten
Über direkte Klagen hinaus entstehen neue Haftungsrisiken für Unternehmen auch durch regulatorische Entwicklungen. Ein Stichwort ist Greenwashing: Wenn Firmen unzutreffend mit Klimaneutralität werben oder ihre CO₂-Bilanz schönen, drohen Rechtsfolgen. Die EU arbeitet an einer Green Claims Richtlinie, die schärfere Regeln gegen irreführende Nachhaltigkeitsaussagen vorsieht. So könnten Wettbewerbsverbände oder Verbraucher künftig leichter klagen, wenn Unternehmen in Sachen Klima täuschen. Dies gehört zwar nicht direkt zu Klimaklagen im klassischen Sinne, doch es zeigt, dass der Rechtsrahmen ESG-Behauptungen justiziabel macht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG, seit 2023) und dem in Vorbereitung befindlichen EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) werden Unternehmen verpflichtet, menschenrechtliche und teilweise umweltbezogene Risiken in ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu adressieren. Klimaschutz ist bisher dort nur indirekt verankert, könnte aber in Zukunft stärker einbezogen werden (im EU-Entwurf wird diskutiert, ob große Unternehmen einen Klimaplan vorlegen müssen, der mit Paris kompatibel ist, und ob Vorstände für dessen Umsetzung haften sollen). Sollte dies kommen, könnten z.B. Investoren gegen Vorstände klagen, wenn diese ihre Klimaziele pflichtwidrig verfehlen – was in Großbritannien bereits angedacht war (dort hatte die NGO ClientEarth 2023 versucht, die Shell-Direktoren wegen unzureichender Klimastrategie zu verklagen, scheiterte aber zunächst mangels ausreichendem Rechtsgrund). Je mehr jedoch Klimapflichten gesetzlich manifestiert werden, desto stärker greift das allgemeine Haftungsrecht. Vorstände deutscher Aktiengesellschaften haben etwa eine treuhänderische Pflicht, dem Wohl der Gesellschaft zu dienen – man kann argumentieren, schwerwiegende Klimarisiken zu ignorieren, könne irgendwann als Verletzung dieser Pflicht gewertet werden (Stichwort organisationsrechtliche Klimaverantwortung).
Klimaklagen sind vom Ausnahmephänomen zum festen Bestandteil der Rechtsrealität geworden. Für Staaten haben Gerichte bereits signifikante Urteile gefällt; für Unternehmen gibt es erste Signale. Die Haftung erweitert sich von klassischen Umweltverschmutzungsfällen hin zu Klimawandel-Folgen. Unternehmen – vor allem große Emittenten – müssen sich auf mehr Verfahren einstellen, die sie in Verantwortung ziehen. Dabei ist nicht jede Klage erfolgreich, aber schon der Reputationsdruck und Aufwand kann beträchtlich sein. Versicherungsgesellschaften berücksichtigen mittlerweile das Directors & Officers Risk im Klimabereich. Mit dem IGH-Gutachten im Hintergrund steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Gerichte künftig unnachgiebiger gegenüber Climate-Defendants auftreten. In Kapitel 5 wird nun untersucht, wie diese Risiken und der regulatorische Wandel sich auf Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen auswirken.
Auswirkungen des IGH-Gutachtens auf Investitionsentscheidungen
Das IGH-Gutachten und die damit einhergehende völkerrechtliche Verankerung des Klimaschutzes beeinflussen das Investitionsklima subtil, aber wirkungsvoll. Zum einen schafft es eine zusätzliche Rechtssicherheit: Unternehmen können davon ausgehen, dass die Richtung der Politik irreversibel ist – Klimaschutz ist kein vorübergehender Trend, sondern ein dauerhaft einklagbarer Pfad. Wer heute in fossile Langfristprojekte investiert, riskiert nahezu sicher, dass diese Investitionen durch künftige strengere Gesetze beeinträchtigt werden. Dieses Bewusstsein dringt in die Vorstandsetagen. Ein Indikator: Mehr als 40 der größten deutschen Unternehmen haben sich bereits wissenschaftlich überprüfte Netto-Null-Ziele gegeben (Science Based Targets), oft deutlich vor 2045. Sie richten also ihre Investitionspläne am Endziel aus – etwa bis 2030 x % Emissionsreduktion, und dedizieren Kapital entsprechend (z.B. für Fuhrparkumstellung, grüne Stromversorgung, etc.). So kündigte z.B. Siemens an, seine eigenen Betriebe bis 2030 klimaneutral zu bekommen – was bedeutete, kräftig in Energieeffizienz und eigene erneuerbare Anlagen zu investieren, plus Kompensation. Solche Selbstverpflichtungen sind freiwillig, werden aber durch gesellschaftlichen Druck und Ausblick auf regulatorische Pflicht motiviert.
Zum anderen könnte das IGH-Gutachten – indem es die Möglichkeit von Schadensersatzforderungen für Klimaschäden betont – ein Risiko am Horizont platzieren, das in Finanzmodellen bisher kaum auftauchte: liability risk. Bisher kalkulierten Unternehmen vor allem Übergangsrisiken (Regulierung, Marktveränderung) und physische Risiken (z.B. Wetterextreme). Nun kommt die – zwar noch entfernte, aber prinzipiell anerkannte – Gefahr hinzu, dass man für vergangene Emissionen zahlen muss. So etwas könnte z.B. durch internationale Fonds oder Gerichtsurteile eintreten (auch wenn Staaten primär haften, könnten sie Regress bei Unternehmen suchen, oder Unternehmen direkt angeklagt werden in manchen Jurisdiktionen). Dieses neue Risiko dürfte die Kapitalgeber ins Nachdenken bringen: Versicherer zum Beispiel analysieren die Portfolios ihrer Industrieversicherten zunehmend auf Klimarisiken. Eine Art Klimahaftpflicht wird diskutiert. Das kann zu steigenden Versicherungsprämien oder -ausschlüssen führen, wenn Unternehmen weiterhin hoch-emissionsreiche Investitionen halten. Daher ist zu erwarten, dass Unternehmen präventiv in klimafreundlichere Anlagen investieren, um gar nicht erst in zukünftige Haftungsfallen zu geraten.
In Summe zeigt sich: Investitionsströme verschieben sich immer stärker in Richtung Dekarbonisierung. Das Jahr 2025 markiert dabei keinen End-, sondern einen Wendepunkt. Während vor 5 Jahren Klimainvestitionen oft als lästige Kosten galten, gelten sie jetzt als notwendige Zukunftssicherung. Allerdings ist die Geschwindigkeit noch unzureichend (die Lücke von 35 Mrd. € p.a. in Deutschland ist signifikant). Politische Unterstützung – von Fördermitteln über CO₂-Bepreisung bis zur Flankierung durch rechtliche Pflichten – bleibt entscheidend, um die private Investitionskraft zu mobilisieren. Kapitel 6 widmet sich nun besonders den regulatorischen Risiken und Chancen im Facility Management, einem Bereich, der von der Klimawende in einzigartiger Weise betroffen ist.
Trend: Mehr Klimaschutzinvestitionen – aber noch eine erhebliche Lücke
Erfreulicherweise zeigen Umfragen und Studien, dass immer mehr Unternehmen in Klimaschutzmaßnahmen investieren. Einer europaweiten Erhebung der Europäischen Investitionsbank zufolge haben 2024 rund 61 % der Unternehmen in der EU bereits in die Reduzierung von Treibhausgasen oder Anpassung an den Klimawandel investiert (gegenüber 53 % im Jahr 2022). Über ein Viertel (27 %) der EU-Unternehmen sieht in der Transformation zu einer Netto-Null-Wirtschaft binnen fünf Jahren primär eine Chance, nur ein Drittel (34 %) betrachtet sie vor allem als Risiko. Diese Zahlen deuten auf einen Stimmungswandel hin: Die grüne Transformation wird zunehmend als strategische Notwendigkeit verstanden, nicht bloß als Kostenfaktor.
In Deutschland zeigt das KfW-Klimabarometer 2024 ebenfalls eine Zunahme der Investitionen: Deutsche Unternehmen haben im Jahr 2023 insgesamt 85 Mrd. € in Klimaschutz investiert – ein Anstieg um 12 % gegenüber dem Vorjahr (real +5 %). Besonders große Unternehmen treiben diese Entwicklung, mit 50 Mrd. € Investitionen (+19 % preisbereinigt) allein durch Großunternehmen in 2023. Der Mittelstand tat sich schwerer: Die Summe der Klimainvestitionen der KMU lag bei 35 Mrd. € und sank real sogar leicht im Vergleich zu 2022. Bemerkenswert ist ein Rückgang der Zahl der überhaupt investierenden Unternehmen. Nur noch 9 % der deutschen Firmen nahmen 2023 Klimaschutzinvestitionen vor, nach 13 % in 2022 und sogar 23 % in 2021. Dieser Rückgang konzentriert sich auf kleine und mittlere Unternehmen, während die, die investieren, im Durchschnitt deutlich mehr ausgeben (im Mittel 146.000 € im Mittelstand, +38 % gegenüber Vorjahr).
Was erklärt diese ambivalente Entwicklung? Ein Teil liegt an der wirtschaftlichen Lage: Die Jahre 2022/23 waren von Energiekrise, Inflation und Konjunkturabkühlung geprägt, was vor allem KMU belastet hat. Viele mussten Investitionen zurückstellen – offenbar zuerst jene, die nicht unmittelbar zur Existenzsicherung beitragen, wozu Klimaschutz bei einigen gerechnet wurde. Dennoch planen aktuell rund 25 % aller Unternehmen, in den nächsten drei Jahren ihre Klimaschutzinvestitionen zu erhöhen. Es gibt also Anlass zur Annahme, dass mit wirtschaftlicher Erholung das Thema wieder stärker anzieht.
Trotz Fortschritten besteht weiterhin eine erhebliche Investitionslücke: Nach KfW-Berechnungen müssten deutsche Unternehmen im Schnitt 120 Mrd. € pro Jahr in Klimaschutz investieren (bis 2045), um die Klimaneutralität zu erreichen. Gegenüber den aktuellen ~85 Mrd. € ergibt sich somit eine Lücke von mindestens 35 Mrd. € jährlich. Diese Lücke ist sogar größer, berücksichtigt man, dass in den vergangenen Jahren ebenfalls unterinvestiert wurde – es bräuchte also Nachholinvestitionen.
Klimaschutzinvestitionen deutscher Unternehmen (Auswahl Kennzahlen)
Indikator (Deutschland) | Wert 2023 (Veränderung ggü. Vorjahr) |
---|---|
Gesamtvolumen Klimaschutzinvestitionen | 85 Mrd. € (+12,1 %, real +5,3 %) |
Davon Großunternehmen | 50 Mrd. € (+11 Mrd. €; real +19 %) |
Davon Mittelstand | 35 Mrd. € (-1 Mrd. €; real –10 %) |
Anteil Unternehmen mit Investitionen | 9 % (2022: 13 %; 2021: 23 %) |
Durchschnitt Investitionsbetrag (KMU) | 146.000 € (+38 %) |
Geschätzter Bedarf p.a. (bis 2045) | ca. 120 Mrd. € (-> Lücke ca. 35 Mrd. € p.a.) |
Diese Zahlen untermauern
Es sind deutlich größere Anstrengungen nötig, insbesondere von breiteren Unternehmenskreisen. Große Konzerne – oft getrieben von internationalem Druck und besseren Finanzierungsmöglichkeiten – haben bereits aufgestockt. KMU hingegen benötigen mehr Unterstützung und verlässliche Rahmenbedingungen, um zu investieren. Darauf wird im nächsten Abschnitt eingegangen.
Hindernisse und Treiber: Unsicherheit, Ressourcen, Regulierung
Warum investieren nicht mehr Unternehmen (vor allem KMU) in Klimaschutz, obwohl langfristig sowohl Regulierung als auch Märkte in diese Richtung drängen? Laut KfW-Klimabarometer nennen Unternehmen als größtes Hemmnis die Unsicherheit über die Wirtschaftlichkeit der Investitionen (47 % der Befragten). Dahinter steht oft die Frage: Rechnet sich z.B. eine teure neue emissionsarme Technologie gegenüber der alten? Wann amortisieren sich Energieeffizienzmaßnahmen – insbesondere bei derzeit volatilen Energiepreisen? Diese Unsicherheit wurde durch die schwankenden CO₂-Preise und die Energiekrise 2022 eher verstärkt. Allerdings bieten steigende CO₂-Kosten (im EU-Emissionshandel und künftig im nationalen Emissionshandel für Wärme/Verkehr) auch Kalkulationsgrundlagen: Im Prinzip weiß ein Betrieb, dass fossile Brennstoffe tendenziell teurer werden – jede eingesparte Tonne CO₂ spart künftige Kosten. Doch Politikentscheidungen (wie hoch der CO₂-Preis steigt, ob es Kompensationen gibt) sind schwer prognostizierbar, was Investitionsrechnungen erschwert.
Als zweitwichtiges Hindernis nennen 37 % fehlende finanzielle Ressourcen. Gerade kleinen Firmen fehlt oft das Kapital oder der Finanzierungsspielraum, um größere Klimaprojekte zu stemmen. Hier versuchen Staat und Förderbanken (KfW, BAFA etc.) gegenzusteuern mit Förderprogrammen: zinsgünstige Kredite, Zuschüsse für Effizienz, E-Mobilität, erneuerbare Energien u.a. Die Nachfrage nach solchen Förderungen ist hoch (z.B. KfW-Programme für Gebäudesanierung waren zeitweise überzeichnet). Dennoch scheint die Förderung noch nicht alle Hemmnisse auszugleichen. Möglicherweise sind Antragsverfahren oder Planungsvorläufe komplex – was gerade KMU abschreckt.
An dritter Stelle der Barrieren stehen bürokratische Hürden: Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren (36 %). Unternehmen, die etwa in eigene Erneuerbare-Energie-Anlagen, Ladeinfrastruktur oder neue Produktionsverfahren investieren wollen, stoßen nicht selten auf zeitraubende Regulierung. Die Politik hat erkannt, dass hier Abhilfe nötig ist – so gibt es inzwischen Gesetzespakete zur Planungsbeschleunigung, etwa für Erneuerbare-Energien-Anlagen. Doch bis diese Änderungen vor Ort wirken, dauert es. Jedes Jahr Verzögerung schmälert natürlich die Investitionsbereitschaft.
Was fördert Investitionen? Einerseits der regulatorische Druck: Wenn klar ist, dass bestimmte Technologien auslaufen (z.B. Verbrennungsmotoren, Ölheizungen), investieren Unternehmen proaktiv in Alternativen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Beispiel: Die Autoindustrie investiert inzwischen milliardenschwer in Elektromobilität, weil sowohl die EU-CO₂-Flottenregulierung als auch gesellschaftlicher Trend kein Weg zurück zulassen. Ähnliches gilt für Energieversorger, die nach dem absehbaren Ende der Kohleverstromung massiv in erneuerbare Energien investieren. Hier spielt auch Planungssicherheit eine Rolle: Der Kohleausstieg in Deutschland bis 2030 (für Westdeutschland möglicherweise 2038, aber RWE etwa hat 2030 zugesagt) und das Verbot neuer Verbrenner-PKW in der EU ab 2035 sind klare Signale. Unternehmen lieben klare Deadlines, umso mehr, wenn sie EU-weit gelten (was Wettbewerbsverzerrung minimiert).
Treiber ist ferner die Kunden- und Investoren-Nachfrage. Immer mehr Großinvestoren achten auf die Klimastrategie von Unternehmen (Stichwort ESG-Investing). Wer hier schlecht abschneidet, riskiert höhere Kapitalkosten oder überhaupt Kapitalabzug. Beispiele: Einige Pensionsfonds schließen Kohle-Unternehmen aus ihren Portfolios aus; die Europäische Zentralbank berücksichtigt Klimarisiken in ihren Bankaufsichts-Stresstests. Für B2C-Unternehmen wiederum wird Nachhaltigkeit zum Marketingfaktor – Konsumenten erwarten von Marken Positionierung beim Klimaschutz. Das kann Investitionen stimulieren (etwa im Lebensmittelsektor CO₂-ärmere Lieferketten aufzubauen, um ein „grünes Image“ zu pflegen). Allerdings muss man aufpassen: Dieses Motiv allein kann auch Greenwashing fördern, wenn Investitionen nur oberflächlich erfolgen. Daher die erwähnte verstärkte Regulierung zu verifizierten Nachhaltigkeitsaussagen.
Innovation und Effizienzgewinne können eigenständige Motive sein. Viele Maßnahmen zur Emissionsminderung sparen gleichzeitig Energie und Kosten (klassisches Beispiel: bessere Wärmedämmung spart Heizkosten, Elektrofahrzeuge haben geringere Wartungskosten als Verbrenner, etc.). Unternehmen mit langfristigem Horizont sehen deshalb Klimaschutzinvestitionen auch als betriebswirtschaftlich sinnvoll an, selbst bevor sie zwingend wären. Studien zeigen, dass rund 90 % der Unternehmen in EU und USA bereits einfache Maßnahmen zur Emissionssenkung ergriffen haben, z.B. Abfallreduktion, Recycling, Steigerung der Energieeffizienz. Das sind low-hanging fruits, die wenig bereut werden. Schwieriger sind die großen Transformationen (etwa Stahlherstellung mit Wasserstoff statt Kohle) – sie erfordern hohe Investitionen und haben Unsicherheiten, ob sie sich auszahlen. Hier kommen staatliche Anschubhilfen ins Spiel (z.B. finanziert Deutschland sogenannte „Klimaschutzverträge“ für die Industrie, um Differenzkosten CO₂-freier Produktionsweisen auszugleichen).
Strategische Investitionslenkung: Beispiele aus Branchen- Der beschriebene Wandel manifestiert sich unterschiedlich je nach Branche. Einige Beispiele illustrieren, wie Klimaschutz-Aspekte Investitionsentscheidungen prägen:
Energiewirtschaft: Die großen Energieversorger (RWE, E.ON, EnBW usw.) haben in den letzten Jahren ihre Investitionsbudgets radikal umgeschichtet. RWE etwa investiert inzwischen fast ausschließlich in erneuerbare Energien und Netzinfrastruktur, nachdem es den Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung bis 2030 – und damit die Abschaltung riesiger Kraftwerke – akzeptiert hat. Diese Entscheidung war einerseits politisch erzwungen (Kohleausstiegsgesetz), andererseits aber auch ökonomisch motiviert: Die Kosten von CO₂-Zertifikaten im EU-Emissionshandel machten Kohle zunehmend unrentabel, während Offshore-Wind und Solar konkurrenzfähig wurden. Staatliche Auktionen und feste Einspeisevergütungen gaben Planungssicherheit. RWE hat angekündigt, seine Emissionen drastisch zu senken und bis 2040 klimaneutral zu sein – ein Ziel, das ohne entsprechende Investitionen (z.B. Milliarden in Offshore-Windparks in der Nordsee) nicht erreichbar wäre.
Industrie (Stahl, Chemie): Traditionsreiche Industriezweige stehen vor revolutionären Investitionsentscheidungen. So hat Thyssenkrupp Steel 2023 beschlossen, ein erstes großtechnisches Direktreduktions- und Elektrolyseur-Anlagenpaket in Duisburg zu errichten, um Stahl künftig mit Wasserstoff statt mit Koks herzustellen. Investitionsvolumen ~2 Mrd. €, unterstützt vom Staat. Diese Investition ist getrieben durch das Wissen, dass Stahl mit hohen CO₂-Emissionen ab den 2030ern in der EU kaum noch konkurrenzfähig sein wird – u.a. weil der neue EU-CO₂-Grenzausgleich (CBAM) Importstahl mit CO₂-Kosten belegt. Ähnlich investiert BASF in Ludwigshafen in Pilotprojekte für elektrisch beheizte Steamcracker (um Gas zu ersetzen) und baut in Kooperation in Norwegen eine CO₂-freie Ammoniak-Produktion. Diese Projekte sind riskant, aber Unternehmen hoffen auf First-Mover-Vorteile, um in einer klimaneutralen Zukunft führend zu sein. Ohne öffentliche Fördergelder wären einige dieser Projekte jedoch nicht realisierbar – hier greift der Staat finanziell ein, um die Transformation zu beschleunigen.
Automobilindustrie: Sie vollzieht wohl den sichtbarsten Wandel. Alle großen deutschen Hersteller haben inzwischen konkrete Enddaten für Verbrennermodelle verkündet (z.B. Audi ab 2033 keine neuen Verbrenner, Mercedes und BMW planen um 2030 einen Großteil elektrisch). Die Investitionsschwerpunkte liegen auf Entwicklung von Elektrofahrzeugen, Batterietechnologie (teils bauen Hersteller eigene Zellfabriken oder beteiligen sich daran) und Software. Gleichzeitig werden Investitionen in klassische Motorenentwicklung zurückgefahren. Auch in der Lieferkette: Die Zulieferindustrie muss umlenken – wer auf Abgasanlagen oder Einspritzpumpen spezialisiert ist, investiert um in z.B. Elektronik für E-Autos oder Komponenten für Ladesysteme. Hier wirken ESG-Vorgaben von Investoren stark: Unternehmen wie VW werden von großen Fonds danach bewertet, ob sie Zukunftstechnologien ausbauen oder am Verbrenner festhalten. Der Kurswechsel wurde letztlich auch durch Diesel-Skandal und Imageverlust beschleunigt – nun aber ist klar, dass die Milliarden nur noch in zero-emission Fahrzeuge fließen. Dies ist ein anschauliches Beispiel, wie Regulierung (Abgasnormen, Flottengrenzwerte) und Markt (Tesla & Co. als Konkurrenz) zusammen Investitionsentscheidungen völlig umkrempeln.
Gebäudewirtschaft und Facility Management: Immobilienunternehmen und FM-Dienstleister investieren verstärkt in Energieeffizienz und erneuerbare Versorgung. Etwa große Bestandshalter wie Vonovia oder LEG rüsten ihre Wohnblöcke mit Photovoltaik, Wärmepumpen und Dämmungen aus, denn zum einen verlangen dies GEG und künftig EU-Regeln, zum anderen lassen sich so Nebenkosten senken und der Wert der Immobilie erhalten. Nachhaltige Gebäude erhalten bessere Finanzierungsbedingungen – es gibt grüne Kredite oder Anleihen, die günstiger sind, wenn Gebäude bestimmte Standards (z.B. DGNB-Zertifikat) erfüllen. Facility-Management-Unternehmen investieren in digitale Energiemanagement-Systeme (Smart Metering, intelligente Steuerung von Heizung/Licht) um ihren Kunden Einsparungen zu ermöglichen und ESG-Reporting-Daten liefern zu können. Hier spielen investive Maßnahmen und neue Dienstleistungen ineinander. Der FM Monitor 2025 zeigt, dass 83 % der befragten Branchenexperten der Meinung sind, das Facility Management könne strategische Unternehmensziele wie Klimaschutz maßgeblich unterstützen. Allerdings betonen 72 % auch, dass die Implementierung nachhaltiger Praktiken höhere Anfangsinvestitionen und komplexes Lieferkettenmanagement erfordert. Die Investitionsbereitschaft ist also da, aber man muss sich auf Mehrkosten und neue Prozesse einstellen.
Auswirkungen auf unternehmerische Investitionsentscheidungen
Die verschärften Klimaschutzvorgaben und Haftungsrisiken beeinflussen das Verhalten von Unternehmen in grundlegender Weise. Investitionsentscheidungen – sei es in Anlagen, Technologien oder Geschäftsmodelle – werden zunehmend unter dem Aspekt der Klimaverträglichkeit und der langfristigen Nachhaltigkeit getroffen. Unternehmen müssen abwägen: Welche Investitionen könnten in einer kohlenstoffarmen Zukunft an Wert verlieren (Stichwort stranded assets)? Wo lohnt es sich, früh in grüne Technologien zu investieren, um regulatorische Vorteile zu erlangen oder Kosten zu sparen? In diesem Kapitel werden erstens aktuelle Trends in den Klimaschutzinvestitionen der Unternehmen dargestellt, zweitens die Hindernisse und Treiber solcher Investitionen analysiert, und drittens exemplarisch beleuchtet, wie Klimaschutzüberlegungen strategische Entscheidungen verändern.
Regulatorische Risiken und Chancen im Facility Management
Das Facility Management (FM) umfasst die ganzheitliche Bewirtschaftung von Immobilien und Liegenschaften – von der Energieversorgung über die Instandhaltung bis zur Nutzerservices. In der Klimaschutztransformation kommt dem FM eine Schlüsselrolle zu, denn Gebäude tragen erheblich zum Energieverbrauch und den Emissionen bei. Laut Umweltbundesamt verursachte der Gebäudesektor 2020 in Deutschland rund 120 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente – das sind etwa 15 % der Gesamt-Emissionen. Die Klimaneutralität des deutschen Immobilienbestands bis 2045 ist nur erreichbar, wenn im Facility Management drastische Verbesserungen umgesetzt werden. Dies birgt Risiken (höhere Anforderungen, Kosten, Haftung) ebenso wie Chancen (neue Geschäftsfelder, Einsparpotenziale). In diesem Kapitel werden erstens die spezifischen Regulierungsentwicklungen im Gebäudebereich dargestellt, zweitens deren Risiken für Eigentümer und Betreiber analysiert, und drittens die Chancen beleuchtet, die sich für die FM-Branche ergeben.
Strengere Anforderungen an Gebäude und Betreiber
Wie in Kapitel 3.3 beschrieben, werden die gesetzlichen Vorgaben für Gebäude kontinuierlich verschärft. Für Facility Manager – oft Bindeglied zwischen Eigentümer und Nutzer – bedeutet dies eine Fülle neuer Pflichten, die es umzusetzen gilt.
Einige wesentliche Regulierungen:
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) fordert bei Neubau (und perspektivisch im Bestand) den Einsatz von mindestens 65 % erneuerbarer Energien in Heizsystemen. FM-Verantwortliche müssen künftig sicherstellen, dass bei Heizungserneuerungen diese Vorgabe eingehalten wird, sonst drohen Bußgelder. Zudem enthält das GEG Nachrüstpflichten (etwa Dämmung oberster Geschossdecken, hydraulischer Abgleich), deren Einhaltung in den Aufgabenbereich des technischen FM fällt.
Energieausweispflicht & Transparenz: Bereits seit einigen Jahren müssen Gebäude einen Energieausweis haben und bei Verkauf/Vermietung vorlegen. Die Anforderungen an Energieaudits und -monitoring werden eher zu- als abnehmen. Die EU plant im Rahmen der EPBD-Reform einen „Smart Readiness Indicator (SRI)“ einzuführen – einen Index für den digitalen und effizienztechnischen Reifegrad eines Gebäudes. Solche Instrumente zwingen FM-Teams, genaue Daten über Verbrauch und Regelbarkeit vorzuhalten.
Wärmeplanung und kommunale Vorgaben: Mit dem neuen Wärmeplanungsgesetz (im Entwurf 2023, Länderaufgabe) werden Kommunen Pläne erstellen, wie sie ihre Wärmeversorgung dekarbonisieren. Daraus können gebietsspezifische Anschlüsse an Wärmenetze oder Verbote bestimmter Heizungen folgen. FM muss diese lokalen Vorgaben beobachten und umsetzen (z.B. Anschlussgebote an eine grüne Fernwärme in Innenstädten).
Emissionsgrenzwerte und Umweltauflagen: Für bestimmte Gebäude wie Rechenzentren werden auf EU-Ebene Effizienzvorschriften vorbereitet (etwa Abwärmenutzung). Zudem unterliegen große gewerbliche Anlagen (etwa Kälteanlagen ab bestimmter Größe) schon jetzt der F-Gase-Verordnung mit strengen Leckagekontrollen. Ab 2025 gelten hier weitere Einschränkungen, etwa für Kältemittel mit hohem Treibhauspotenzial (teilweise Einsatzverbote). Betreiber im FM müssen also technische Umrüstungen planen.
Klimaanpassungsauflagen: Zwar sind diese weniger konkret, aber es gibt Tendenzen, etwa Hitzeschutz in Mietwohnungen (Innenraumtemperaturen) oder Lüftung bei öffentlichen Gebäuden verbindlich zu regeln. Das BMUV-Klimaanpassungsgesetz verpflichtet Behörden, ihre Liegenschaften auf Klimarisiken zu prüfen – gut möglich, dass das in Zukunft als Standard für alle größeren Asset Owner gilt, was FM-Leistungen im Bereich Risikoanalyse (z.B. Überschwemmungsgefahr, Dachlasten bei Starkschnee etc.) erfordert.
All diese Regulierungen bedeuten für FM-Akteure zunächst zusätzlichen Aufwand und Compliance-Risiken. Wenn ein Gebäudebetreiber gegen Pflichten verstößt – etwa versäumt, eine ineffiziente Heizung zu tauschen oder die 65 %-Regel zu erfüllen – drohen Sanktionen: Das GEG sieht z.B. Bußgelder bis zu 50.000 € für bestimmte Verstöße vor. Darüber hinaus droht die stillere Sanktion des Wertverlusts: Gebäude, die die Standards nicht erreichen, könnten unverkäuflich oder unrentabel werden (sog. „stranded buildings“). In einigen EU-Ländern (Frankreich, Niederlande) gibt es schon Regelungen, dass Gebäude mit schlechtem Energiepass nicht mehr neu vermietet werden dürfen, was faktisch einem Nutzungsverbot gleichkommt. Solche Regelungen dürften EU-weit kommen. Das ist ein erhebliches Risiko für Eigentümer – und für FM als Dienstleister ein Druck, rechtzeitig Sanierungen anzustoßen. Andererseits wird FM damit auch aufgewertet: Aus einem meist operativ betrachteten Aufgabenfeld wird zunehmend eine strategische Funktion, die für die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens essentiell ist. Im FM Monitor 2025 stimmten 83 % der befragten öffentlichen Auftraggeber zu, dass Facility Management strategische Ziele wie Klimaschutz maßgeblich unterstützen muss. Das bedeutet aber auch: Fehler im FM (z.B. Nichteinhaltung von Nachrüstpflichten, falsche Bedienung von Anlagen) können zu Rechts- und Reputationsrisiken für das gesamte Unternehmen führen. FM-Manager tragen damit mehr Verantwortung und müssen ihre Qualifikationen erweitern (z.B. Kenntnisse in Energierecht, Fördermitteln, Berichtspflichten). Zusätzlich entsteht durch ESG-Reporting-Pflichten (siehe Kapitel 7.2) Druck, dass FM belastbare Daten zu CO₂-Emissionen, Energieverbräuchen, Abfällen etc. liefert. Die neue CSRD-Berichtspflicht (ab 2025 für Geschäftsjahr 2024) erfasst tausende Unternehmen in Deutschland. Diese müssen detailliert u.a. Scope-1- und Scope-2-Emissionen angeben sowie ggf. Scope 3 (wozu Mieterstrom, Pendlerverkehre etc. gehören können). Hier ist FM in der Pflicht, Messungen einzuführen (z.B. Smart Metering in allen Gebäuden) und Daten aufzubereiten. Die Messbarkeit und Berichterstattung von ESG-Kriterien stellt laut Branchenumfrage eine wesentliche Herausforderung dar. Die Regulierungsdichte im FM-Umfeld nimmt zu – was Kontrollrisiken birgt, aber auch professionalisierend wirkt. Unternehmen können sich dem nicht entziehen, ohne sich anderen Risiken (siehe Klagen/Haftung) auszusetzen.
Risiken: Kosten, Know-how und Haftung im FM
Die beschriebenen Anforderungen bringen mehr Kosten mit sich. Energetische Sanierungen, moderne Anlagentechnik, Monitoring-Systeme – all das erfordert Investitionen, die zunächst die Betriebskosten erhöhen. Eigentümer werden versuchen, einen Teil davon auf Mieten umzulegen (Stichwort Modernisierungsumlage), aber das ist sozial und marktwirtschaftlich begrenzt. Es besteht das Risiko, dass gerade bei Bestandsbauten mit begrenzter Rendite die Finanzierung von Klimaauflagen schwierig wird. Facility Manager müssen oft mit knappen Budgets möglichst viel erreichen, was Druck erzeugt, effizient zu priorisieren. Fehler in der Priorisierung (z.B. Vernachlässigung einer nun pflichtigen Maßnahme) können rechtlich problematisch sein. Personal- und Know-how-Engpässe sind ein weiteres Risiko. Zitiert man wieder den FM Monitor: Personalmangel wird von 78 % als akute Herausforderung gesehen. Qualifiziertes Personal, das sich mit neuen Technologien (Wärmepumpen, Gebäudeautomation) und den rechtlichen Vorgaben auskennt, ist rar. Die FM-Branche muss selbst nachhaltig werden, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Ohne genügend Fachleute drohen Verstöße oder Ineffizienzen. Es ist auch ein Haftungsthema: z.B. Betreiberverantwortung – FM-Verträge legen oft fest, dass der FM-Dienstleister dafür sorgen muss, dass alle gesetzlichen Prüf- und Wartungsintervalle eingehalten werden. Versäumnisse könnten zu Schadenersatzansprüchen führen. Klimaschutz schafft nun zusätzliche „Pflichtenhefte“: etwa einen Dekarbonisierungsfahrplan für jedes Gebäude. Wer diesen nicht einhält, könnte eines Tages – analog zum Lärm- oder Schadstoffüberschreitungen – belangt werden. Denkbar ist z.B., dass Mieter Mietminderungen geltend machen, wenn der Vermieter entgegen vertraglicher Zusagen seine Immobilie nicht energetisch verbessert und der Mieter unverhältnismäßig hohe Energiekosten hat. Neue Versicherungsrisiken tauchen ebenfalls auf. Versicherer könnten künftig verlangen, dass Gebäude klimafit sind – z.B. Brandschutz bei PV-Anlagen, Kühlung bei Hitze in Rechenzentren – sonst drohen Prämienzuschläge. All dies fällt in den Aufgabenbereich des FM.
Chancen: Nachhaltiges Facility Management als Werttreiber
Auf der positiven Seite bietet die klimabedingte Transformation des FM erhebliche Chancen. Zum einen können durch Effizienzmaßnahmen oft Kosteneinsparungen realisiert werden: Die beste Kilowattstunde ist die, die nicht verbraucht wird. Viele Gebäude in Deutschland sind nach wie vor ineffizient – einfache Maßnahmen wie moderne Gebäudeleittechnik, LED-Beleuchtung, bedarfsgerechte Lüftungssteuerung bringen 10-30 % Einsparungen beim Energieverbrauch, was bei den heutigen Energiepreisen massiv ins Gewicht fällt. FM kann hier unmittelbar Erfolge erzielen und sich intern profilieren, wenn es die Energiekosten senkt und gleichzeitig Emissionen reduziert.
Zudem kann ein nachhaltiges Gebäudeportfolio am Markt höhere Mieten oder Werte erzielen. Investoren bewerten Immobilien zunehmend nach ESG-Kriterien. Der sogenannte „Green Value“ äußert sich darin, dass zertifizierte grüne Gebäude niedrigere Finanzierungskosten haben (Green Bonds, Green Loans). Auch viele große Mieter (z.B. Konzerne) mieten gezielt nur noch Gebäude, die nachhaltig sind, um ihre eigenen Klimabilanzen zu verbessern. Somit wird ein gut gemanagtes Gebäude zum Wettbewerbsvorteil. Facility Manager können ihren Eigentümern diesen Mehrwert aufzeigen und so strategisch wichtiger Partner werden.
Die FM-Branche selbst diversifiziert sich: Neue Dienstleistungen entstehen rund um Carbon Management, ESG-Reporting und Nachhaltigkeitsberatung. Einige FM-Dienstleister haben Nachhaltigkeits-Consulting-Teams aufgebaut, die Kunden helfen, Klimastrategien für deren Immobilien aufzustellen – vom Photovoltaik-Konzept übers Energiemonitoring bis zur Vorbereitung von CO₂-Zertifikaten. Hier gibt es auch neue Umsatzquellen für FM-Firmen, die über das klassische technikzentrierte Geschäft hinausgehen.
Auch technologisch beflügelt die Klimafrage Innovationen im FM: PropTech-Startups bieten smarte Lösungen an, z.B. IoT-Sensorik für Präsenzsteuerung von Heizung/Licht, KI-optimierte Gebäuderegelung nach Wetterprognosen oder Software zur Auswertung von ESG-Daten. Die Integration solcher Technologien kann die Effizienz steigern und FM-Arbeit modernisieren. So berichten 62 % der FM-Verantwortlichen, dass Digitalisierung (IT-Hardware, Software, digitalisierte Abläufe) der herausragende Trend ist, was teilweise durch Effizienz- und Nachhaltigkeitsdruck motiviert ist.
Ein weiteres Chancenfeld ist die Dekarbonisierung der Energieversorgung von Liegenschaften: Viele Unternehmen streben an, möglichst viel ihres Energiebedarfs selbst erneuerbar zu erzeugen – etwa durch PV-Anlagen auf Dächern, eigene Wärmepumpen, Speicher oder Beteiligung an lokalen Energieparks. FM kann diese Projekte initiieren und betreiben, was langfristig Kosten stabilisiert und Einnahmen generieren kann (Überschussstrom einspeisen, Förderung kassieren).
Nachhaltiges Facility Management wird vom Cost-Center zum Value-Center. Es trägt direkt zu den ESG-Zielen des Unternehmens bei und kann – wenn gut umgesetzt – sogar zur Wertsteigerung der Assets führen. Beispielsweise ergab eine Studie, dass energetisch modernisierte Bürogebäude in Top-Städten deutlich geringere Leerstandszeiten und höhere Mieten aufweisen, weil sie gefragt sind. FM kann den Unterschied machen zwischen einem Gebäude, das die Klimawende „verliert“ (und ggf. entwertet wird), und einem, das sie „gewinnt“.
Vorbereitung auf kommende Entwicklungen
Die nächsten Jahre werden zeigen, wie FM die Gratwanderung zwischen Auflagen und Innovation schafft. Stand August 2025 ist absehbar, dass die Regulierungen nicht weniger werden: Eine neue EU-Gebäuderichtlinie steht vor der Tür, nationale Vorschriften (etwa Pflicht zur Solardach-Nutzung, wie einige Bundesländer es schon erlassen haben) könnten ausgedehnt werden. Auch das Thema Kreislaufwirtschaft im Bauwesen (graue Emissionen reduzieren, Recycling von Baumaterial) kommt auf – was perspektivisch auch FM betrifft (z.B. bei Rückbau oder Umbau von Gebäuden).
Facility Manager tun gut daran, sich heute schon auf die kommenden Compliance-Anforderungen einzustellen. Die Schaffung von Transparenz über alle relevanten Kenndaten (Energie, Emissionen, Wasser, Abfall) im Portfolio ist Grundvoraussetzung. Darauf aufbauend müssen Klimaschutzfahrpläne pro Gebäude entwickelt werden: Welche Maßnahmen wann, um bis 2030/2040 auf einen emissionsarmen Stand zu kommen? Der FM-Sektor in Deutschland ist in der GEFMA (Deutscher Verband für FM) und RealFM sehr aktiv, Leitfäden zu ESG und Klimaneutralität zu erstellen. So veröffentlichte GEFMA 2022 ein Whitepaper zur Bedeutung von ESG-Kriterien im FM, und RealFM diskutiert, wie CSRD-Berichtspflichten durch FM-Daten erfüllt werden können. Diese Selbstinitiativen zeigen: Die Branche erkennt die Zeichen der Zeit.
Es lässt sich festhalten, dass das Facility Management im Kontext Klimaschutz vor einem Paradigmenwechsel steht. Es reicht nicht mehr, den Betrieb „irgendwie am Laufen“ zu halten – vielmehr wird erwartet, proaktiv Nachhaltigkeit zu managen. Wer das als Risiko sieht und zögert, läuft Gefahr, zurückzubleiben. Wer es als Chance begreift, kann sich als unverzichtbarer Klimamanager seiner Organisation etablieren. Die nächste Dekade wird darüber entscheiden, welche Unternehmen – unterstützt von einem zukunftsorientierten FM – die Klimatransformation erfolgreich meistern. Das abschließende Kapitel widmet sich noch der übergeordneten strategischen Ausrichtung deutscher Unternehmen auf Nachhaltigkeit und ESG, um das Bild abzurunden.
Strategische Ausrichtungen deutscher Unternehmen: Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung und ESG
Die Anforderungen des Klimaschutzes und der Druck von Stakeholdern haben dazu geführt, dass Nachhaltigkeit und ESG (Environmental, Social, Governance)-Kriterien heute in vielen Unternehmen ganz oben auf der strategischen Agenda stehen. In diesem Kapitel wird betrachtet, wie deutsche Unternehmen sich strategisch neu ausrichten, um Dekarbonisierung zu erreichen und ESG-Vorgaben zu erfüllen. Aspekte sind unter anderem: die Verankerung von Nachhaltigkeit in Leitbildern und Governance, die Einführung von Kennzahlensystemen und Berichtsstandards, sowie Beispiele konkreter Unternehmensstrategien (Best Practices). Ebenso werden Herausforderungen wie Greenwashing-Vorwürfe oder Umsetzungslücken beleuchtet.
Nachhaltigkeit in Leitbild und Governance
Vor 10–15 Jahren hatten viele Unternehmen separate CSR-Abteilungen, die jedoch oft eher randständig agierten. Heute wandelt sich dies zu einer Integration von Nachhaltigkeit in die Kernstrategie. Ein Indikator: Immer mehr Vorstandsvorsitzende thematisieren Klimaschutz in ihren Reden, und zahlreiche Konzerne haben Vorstandsposten oder Vorstandsressorts für „Nachhaltigkeit“ geschaffen (oder diese Aufgabe dem Finanzvorstand oder CEO direkt zugeordnet). Bei Siemens etwa ist der CFO für Sustainability Reporting mitverantwortlich – was signalisiert, dass ESG als Teil der finanziellen Steuerung begriffen wird.
Viele Unternehmen haben Klimaneutralitätsziele verkündet: z.B. klimaneutrale Produktion bis 2030 (Bosch erreichte dies für eigene Standorte bereits 2020 durch Effizienz und Kompensation), komplette Klimaneutralität der gesamten Wertschöpfung bis 2040 (z.B. BMW, die bis dahin auch ihre Lieferanten emissionsfrei haben wollen, ggf. durch Vorgaben in Lieferverträgen). Diese Ziele werden in Leitbildern und Publikationen prominent platziert. Oft orientiert man sich an internationalen Initiativen: über 1000 Unternehmen weltweit (darunter viele deutsche) sind der Science Based Targets initiative (SBTi) beigetreten und haben Emissionsreduktionspfade bestätigt bekommen, die mit dem 1,5°C-Ziel kompatibel sind. Das IGH-Gutachten dürfte solche Initiativen noch relevanter machen, da es das 1,5°-Ziel als verbindlich deklariert – Firmen, die SBTi-Ziele verfolgen, können argumentieren, sie tun das Notwendige laut Völkerrecht.
In der Corporate Governance wird Nachhaltigkeit ebenfalls verankert: Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt mittlerweile, ESG-Aspekte in der Unternehmensstrategie und Risikosteuerung zu berücksichtigen. Einige Unternehmen koppeln die Vorstandsvergütung an Nachhaltigkeitsziele (z.B. Henkel: 10 % des Bonus hängt an der Erreichung von Klimazielen; BMW hat ESG-Kriterien für Managementboni eingeführt). Das soll sicherstellen, dass das Top-Management echtes Interesse an Umsetzung hat.
Ein weiterer Trend ist die Einrichtung von Nachhaltigkeitskomitees im Aufsichtsrat, die die Umsetzung der ESG-Strategie überwachen. So hat z.B. die Deutsche Telekom einen eigenen Ausschuss für Klimaschutz und ESG im Aufsichtsrat etabliert. Auch wird in Aufsichtsräten vermehrt ESG-Expertise gesucht.
ESG-Berichtspflichten und Transparenz
Mit 2024/2025 greift die neue EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die die bisherige Non-Financial Reporting Directive stark ausweitet. In Deutschland steigt die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen dadurch von ca. 500 auf voraussichtlich 15.000. Ab 2025 müssen also auch viele Mittelständler und alle kapitalmarktorientierten KMU Nachhaltigkeitsberichte nach einheitlichen EU-Standards (den ESRS) vorlegen. Diese Berichte umfassen detaillierte Informationen zu Klimaschutz (Strategie, Ziele, Emissionsdaten Scope 1-3, Risiken, Chancen), aber auch zu anderen Umweltbelangen (Ressourcen, Biodiversität), zu sozialen Themen (Arbeitsrechte, Diversität) und Governance (z.B. interne Compliance-Strukturen).
Die Einführung dieser Pflicht hat in den Unternehmen erhebliche Transformationsprojekte ausgelöst. Viele implementieren neue IT-Systeme, um ESG-Daten zu sammeln – oft eng verzahnt mit dem Finanzreporting. Einige schaffen neue Rollen wie „Chief Sustainability Officer“ oder „ESG Controller“. Die Herausforderung besteht darin, verlässliche Daten zu liefern, die zudem einer Prüfung durch Wirtschaftsprüfer standhalten müssen (CSRD-Berichte sind prüfungspflichtig ähnlich wie Finanzberichte). Das zwingt zu soliden Prozessen: Wo kommen z.B. alle Emissionsfaktoren her, wie wird die Lieferkette erfasst? Diese Professionalität war in der Vergangenheit oft nicht gegeben – manche Nachhaltigkeitsberichte waren eher Marketingbroschüren. Nun drohen aber bei falschen Angaben rechtliche Konsequenzen (bis hin zu Bußgeldern oder Haftung wegen kapitalmarktrechtlicher Falschdarstellung).
Auf lange Sicht schafft die CSRD auch vergleichbarkeit und Benchmarking: Unternehmen werden klarer sehen, wo sie im Vergleich zu Mitbewerbern in Sachen CO₂-Effizienz oder Klimarisikomanagement stehen. Das kann einen Race-to-the-top fördern, da niemand als Nachzügler dastehen will. Investoren wie Banken werden die Daten nutzen, um Kreditkonditionen oder Investitionsentscheidungen zu beeinflussen (Stichwort Sustainable Finance: Banken müssen selbst ihre Portfolien dekarbonisieren).
Neben der CSRD gibt es weitere Transparenzvorschriften wie die EU-Taxonomie-Verordnung, die für große Unternehmen verlangt offenzulegen, welcher Anteil ihrer Umsätze, CapEx und OpEx „ökologisch nachhaltig“ im Sinne der Taxonomie ist. Darunter fällt etwa, ob Produkte oder Projekte mit dem 1,5°-Ziel konform sind. Diese Quote wird genau beobachtet – sie fließt in ESG-Ratings ein. Unternehmen haben daher ein Interesse, ihre Taxonomie-Quote zu steigern, was praktisch heißt: mehr grüne Produkte, mehr grüne Investitionen. Auch das beeinflusst strategische Entscheidungen (z.B. raus aus Aktivitäten, die Taxonomie-negativ sind, rein in solche, die positiv bewertet werden).
Dekarbonisierungsstrategien: Sektorale Beispiele- Es lohnt ein Blick auf einige sektorale Strategien deutscher Unternehmen:
Energieversorger: Wie erwähnt, setzen RWE & Co. auf Erneuerbare. Neben dem Stromsektor geht es auch um Wärme (Kommunen, Stadtwerke planen Umstellung auf Großwärmepumpen, Geothermie, Nahwärmenetze). Unternehmen wie E.ON entwickeln sich zu Infrastrukturmanagern für die Energiewende (Smart Grids, Ladeinfrastruktur). Sie positionieren sich als Partner der Städte und Industrie für Dekarbonisierungsprojekte.
Finanzsektor: Banken und Versicherer in Deutschland (z.B. Allianz, Munich Re, Deutsche Bank) haben eigene Netto-Null-Zeitpläne. Die Allianz etwa will bis 2050 ihr Versicherungs-Portfolio klimaneutral haben, d.h. sie versichert ab einem gewissen Zeitpunkt keine neuen Kohleprojekte mehr etc. Schon jetzt hat Allianz, wie viele, Kohle komplett ausgeschlossen und Öl/Gas stark eingeschränkt in Neugeschäft. Auch im Investmentbereich (Allianz investiert Kundengelder) wird das Portfolio nach ESG ausgerichtet. Deutsche Banken haben sich der Net-Zero Banking Alliance angeschlossen. Konkret bedeutet das: Sie versuchen, den CO₂-Fußabdruck ihrer Kreditnehmer zu verringern – indem sie z.B. energetische Sanierungen finanzieren, aber klimaschädliche Investitionen meiden. Das trifft die Unternehmen als indirekter Druck: Wer keine grünen Pläne hat, bekommt evtl. schwerer Kredit.
Industrie (Maschinenbau, Elektrotechnik): Hier zeigen Firmen wie Siemens, Bosch, Heraeus etc., dass vor allem Innovation der Schlüssel ist. Siemens investiert in grüne Technologien (z.B. Wasserstoffturbinen, intelligente Netze) und strukturiert sein Portfolio entsprechend. Gleichzeitig kümmern sie sich um ihre eigenen Werke (Siemens hat berichtet, seine eigenen Standorte global auf Ökostrom umzustellen und Energie einzusparen – womit sie 2020 bereits 54 % Emissionsreduktion ggü. 2014 schafften). Viele Mittelständler im Maschinenbau setzen auch auf Effizienz: Es wird viel in Digitalisierung investiert (Industrie 4.0) um Prozesse energiesparender zu machen, was oft Emissionen senkt. Die Motivation ist hier häufig Kostenersparnis gepaart mit dem Willen, international als innovativ zu gelten.
Transport & Logistik: Die Deutsche Post DHL hat früh eine Mission „Zero Emission 2050“ ausgerufen. Sie investiert in Elektro-Fahrzeuge (die Streetscooter waren ein Vorreiter-Projekt), testet alternative Kraftstoffe für Flugzeuge (Biofuels) und hat ein sogenanntes GoGreen-Portfolio, bei dem Kunden klimaneutralen Versand wählen können (gegen Kompensation). DB Schenker ähnlich, und die Deutsche Bahn will bis 2040 klimaneutral sein (Elektrifizierung und Grünstrom für die Züge, alternative Antriebe für Diesel-Loks etc.). Diese Pläne führen zu Großinvestitionen z.B. in Oberleitungen oder H2-Loks.
Chemie und Zement: BASF, Bayer & Co. haben immense Herausforderung (Prozessemissionen). Sie verfolgen Roadmaps: erst Steigerung Effizienz (‚Verbundsite‘), dann Ersatz fossiler Energie durch Grünstrom (BASF hat einen Deal für Offshore-Windenergie), schließlich Wandel der Prozesse (BASF’s E-Cracker, Covestro plant CO₂ als Rohstoff zu nutzen). Es werden branchenübergreifende Allianzen geschmiedet (z.B. Chemie, Stahl, Energie zusammen im Norddeutschen Reallabor um grünen H2 voranzutreiben). Heidelberg Materials (ehem. HeidelbergCement) investiert in CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) um die unvermeidbaren Emissionen zu managen. Der Staat fördert teils mit IPCEI-Mitteln (wichtiges europäisches Projekt gemeinsamen Interesses).
Diese Beispiele zeigen
Viele deutsche Unternehmen experimentieren und investieren massiv in ihre Dekarbonisierung. Einige schaffen Leuchttürme (wie Thyssenkrupps Wasserstoff-Stahlwerk), was auch global Ausstrahlung hat. Strategisch gehen einige auch in neue Geschäftsmodelle: Autobauer werden Mobilitätsdienstleister (Carsharing, E-Ladebetrieb), Energieerzeuger werden Serviceanbieter (Energiesparen als Service), etc. Klimawandel erzwingt teilweise Diversifikation.
ESG als Risiko- und Chancenmanagement
Die Verankerung von ESG hat zwei Seiten. Zum einen sollen Risiken minimiert werden – dazu gehört Klimarisikomanagement. Unternehmen erstellen inzwischen Klimarisiko-Analysen gemäß TCFD-Empfehlungen (Task Force on Climate-related Financial Disclosures). Das heißt, sie überlegen: Was passiert mit unserem Geschäft bei 2°C oder 4°C Erwärmung? Welche physischen Schäden drohen Standorten? Oder welche Regulierungskosten drohen bei strengem 1,5°-Szenario? Solche Analysen fließen in die Gesamtstrategie ein – etwa ob man Werke in bestimmten Regionen neu baut oder besser woanders investiert. Deutsche Versicherer z.B. ziehen sich aus besonders klimagefährdeten Märkten teils zurück (z.B. keine neuen Policen in Kohlenflutgebieten).
Zum anderen eröffnen sich Chancen: Neue Märkte entstehen im Zuge der grünen Transformation. Das sehen deutsche Unternehmen durchaus optimistisch. Laut der erwähnten EIB-Umfrage sehen 27 % der EU-Unternehmen die grüne Wende primär als geschäftliche Chance – neue Produkte, neue Kundenbedürfnisse. Die deutsche Industrie versucht, sich als Lieferant der Klimatechnologien der Welt zu positionieren (Exportchancen für Wasserstofftechnik, für Elektromobilität, für klimafreundliche Maschinen). Hierfür arbeiten Unternehmen eng mit der Regierung zusammen (z.B. exportkreditseitige Absicherung von Klimaprojekten im Ausland).
Der ESG-Hype bringt allerdings auch die Gefahr von Greenwashing mit sich, was wir schon ansprachen. Einige deutsche Unternehmen mussten Kritik einstecken: Etwa wurde DWS (Fondstochter der Deutschen Bank) vorgeworfen, ihre Fonds „grüner“ darzustellen als sie sind – es gab Razzien, der CEO trat zurück. Auch Autobauer wurden kritisiert, weil sie zwar E-Autos forcieren, aber parallel große SUVs bewerben – was als inkonsequent gilt. Diese Fälle zeigen: Die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsstrategie ist selbst zum Faktor geworden. Stakeholder (Medien, NGOs, auch Anleger) schauen genau hin, ob Taten den Worten folgen. Unternehmen reagieren darauf, indem sie externe Gutachter einschalten, Ratings anstreben (z.B. CDP Score verbessern) und insgesamt vorsichtiger mit PR-Versprechen sind. Einige betreiben eine fast übertriebene Transparenz – veröffentlichen Life-Cycle-Analysen ihrer Produkte, legen offen, wo sie noch nicht auf Kurs sind, etc., um Vertrauen zu schaffen.
Nachhaltigkeit als neues Normal
Es lässt sich feststellen, dass Nachhaltigkeit und insbesondere Klimaneutralität in deutschen Unternehmen vom Nischenthema zum Mainstream-Steuerungsziel geworden sind. Dies ist auch politisch gewollt und gefördert: Programme wie „Klimaschutz-Unternehmen“ zeichnen Vorreiter aus, Branchenverbände geben Klimapfade vor (die chemische Industrie hat etwa 2022 eine Roadmap zu 2050 publiziert, der BDI schon 2018 die Studie Klimapfade 2050).
Deutschland möchte als Wirtschaftstandort 2045 klimaneutral sein – das geht nur, wenn alle Unternehmen mitziehen. Die meisten Großunternehmen haben das akzeptiert und machen aus der Not eine Tugend, indem sie innovativ vorangehen. Kleinere tun sich noch schwerer, was aber auch daran liegt, dass deren Ressourcen begrenzter sind. Hier wird es Aufgabe von Politik und größeren Partnern sein, den Mittelstand mitzuziehen (beispielsweise durch Lieferketten-Druck: ein kleiner Zulieferer muss mitdekarbonisieren, wenn sein Großkunde es verlangt).
Ein interessanter Aspekt ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit: Manche Unternehmen warnten, zu strenge Vorgaben könnten deutsche Firmen belasten. Allerdings haben Ereignisse wie der US-Inflation Reduction Act (IRA) 2022 gezeigt, dass anderswo ebenfalls enorm in die grüne Wirtschaft investiert wird. Deutsche Unternehmen riskieren also eher, abgehängt zu werden, wenn sie nicht mithalten. Vielmehr herrscht inzwischen ein Wettlauf um die Führung in Klima-Technologien (USA, EU, China investieren hunderte Milliarden). Somit ist Nachhaltigkeit nicht nur defensive Pflicht, sondern aktive Standort- und Innovationspolitik.
Nichtsdestotrotz: Die Transformation ist kostenintensiv und komplex. Es gibt Zielkonflikte (z.B. kurzfristig Arbeitsplätze vs. langfristig Klima, oder Naturschutz vs. Windradausbau). Unternehmen stecken inmitten dieser Interessensabwägungen. Aber das IGH-Gutachten und die völkerrechtliche Untermauerung des Klimaschutzes haben in gewisser Weise das Primat klargestellt: Klimaschutz ist kein Nice-to-have, sondern ein Must-have – ethisch, rechtlich und wirtschaftlich. In der Gesamtschau aller hier betrachteten Bereiche – Gesetzgebung, Rechtsprechung, betriebliche Praxis – wird deutlich, dass sich in Deutschland ein umfassender Wandel vollzieht. Unternehmen, und mit ihnen das Facility Management, entwickeln neue Fähigkeiten und Strategien, um in einer klimaverträglichen Wirtschaft erfolgreich zu sein.